Ökonomische Aspekte des Nachhaltigen Bauens
Autorin: Diana Fischer, M. Sc.
7. November 2012 - Nachhaltig Bauen kann nicht nur eine Verbesserung der ökologischen Qualität bedeuten, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Das häufig im Raum stehende Misstrauen gegen vermeintlich „neue Anforderungen“ in Bezug auf Nachhaltigkeit ist tatsächlich unbegründet. Denn eine Optimierung des gesamten Planungs- und Bauprozesses erlaubt hohe Kosteneinsparungen, sodass sich die Ausgaben für einen Nachhaltigkeitsberater oder eine Gebäudezertifizierung rechnen können.
Wichtig ist es, die „Lebenszykluskosten“ (engl. Life Cycle Costing - LCC) zu betrachten: Im Rahmen des Nachhaltigen Bauens wird darauf geachtet, dass die im gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes von der Planung über die Instandhaltung bis zum Rückbau bzw. der Entsorgung der Baustoffe entstehenden Kosten optimiert werden. Um abzuschätzen, was in den ca. 50 Jahren passieren wird, die als durchschnittliche Nutzungsdauer eines Bürogebäudes zugrunde gelegt sind, werden für die Lebenszykluskosten Szenarien entwickelt. Mit diesen kann eine Abschätzung der Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Alternativen erstellt werden.
Dabei können bestimmte Maßnahmen die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes erhöhen. Einige Beispiele werden im Folgenden genannt.
Integrale Planung kann nachträgliche Änderungen verhindern
Integrale Planung bedeutet, dass alle an Planung, Bau, Nutzung und Entsorgung eines Bauwerks Beteiligten frühzeitig an dem Entwicklungsprozess teilhaben. Dieser Prozess ist zwar mit einem erhöhten Koordinationsaufwand verbunden, zahlt sich aber aus: Das Gebäude wird „logisch“ gebaut – mit dem Blick auf spätere Nutzungsvarianten. So wird zum Beispiel verhindert, dass die für die technische Gebäudeausrüstung vorgesehenen Schächte und Räume nicht zu klein ausgelegt werden, dass die zukünftigen Nutzer ausreichend Arbeitsfläche haben und bei einer Nutzungsänderung schnelle Umbauarbeiten möglich sind. Denn spätere Anpassungsarbeiten können teuer werden und die Nutzbarkeit bzw. Nachfrage nach einer Immobilie einschränken.
Energieeffizienz kann die Nutzungskosten senken
Das Einsparpotenzial durch die Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden ist enorm und beläuft sich allein in Deutschland auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Noch wird bei Bestandsimmobilien der Posten „Energiekosten“ von vielen Betreibern als gegeben hingenommen oder die Kosten für die Umrüstung technischer Anlagen bei Bestandsgebäuden als so hoch eingeschätzt, dass sich entsprechende Maßnahmen erst spät zu amortisieren scheinen. Berechnungen zeigen jedoch, dass das Nachrüsten und die Erarbeitung eines Energiemanagementsystems fast immer lohnenswert ist: Hier können neben der Energieeinsparung auch erhebliche steuerliche Vorteile genutzt werden.
Bei Neubauten wird heute allein aus rechtlichen Gründen (Stichwort Energieeinsparverordnung - EnEV) auf die Energieeffizienz der Gebäudehülle und der eingesetzten Anlagen geachtet – die dadurch gesenkten Nebenkosten tragen zur Attraktivität der entsprechenden Immobilien bei, weil unter anderem höhere Kaltmieten und/oder höhere Auslastungen erzielt werden können.
Aus sozial wird wirtschaftlich
Wirtschaftliche Vorteile entstehen aber auch aus einer ganz anderen Richtung des Nachhaltigen Bauens: Menschen, die sich wohl fühlen, gesund und erholt sind, arbeiten effizienter und haben weniger Ausfalltage durch Krankheit. Kriterien wie Sicherheitsempfinden, Gesundheit und Behaglichkeit können direkt durch Gebäude beeinflusst werden. Auch die Wahl schadstoffarmer Baustoffe, eine angenehme optische Gestaltung mit Sichtbeziehungen nach außen und ein angenehmes, individuell regulierbares Raumklima bei Gewerbeimmobilien zahlen sich aus; sie können zu wirtschaftlichen Vorteilen des Unternehmens, das das Gebäude nutzt, beitragen.
Am Lebensende Kosten sparen – Recycling, Deponie, Sondermüll?
Ein weiterer Kostenfaktor, der früher nur selten bei der Planung eines Gebäudes berücksichtigt wurde, ist der Umgang mit den Baustoffen, die nach dem Rückbau des Gebäudes zurückbleiben. Die Kosten für den eigentlichen Rückbau bzw. Abriss sowie die Entsorgung der Baustoffe können je nach Konstruktionsart und Baustoffwahl stark variieren. Wenn mit einfachen Mitteln eine möglichst sortenreine Trennung der eingesetzten Baustoffe erfolgen kann, können wertvolle Teile wiederverwendet oder recycelt werden. Die Entwicklung der Rohstoffpreise und insbesondere der Schrottpreise in den letzten Jahrzehnten lässt vermuten, dass hier zukünftig hohe Einnahmen generiert werden können. Auch Unterschiede bei den Deponiekosten für verschiedene Abfallstoffe können bei einer sortenreinen Trennung besser genutzt werden. Als Sondermüll zu entsorgender Abfall ist deutlich teurer als gewöhnlicher Bauschutt. Sind entsprechende Abfälle gut getrennt, kann daher am Lebensende der Immobilie noch einmal bares Geld gespart werden.
Zur Rolle der Bauprodukthersteller
Die genannten Themen, insbesondere die Lebenszykluskostenbetrachtung, eröffnen auch für die Baustoffproduzenten neue Chancen: Qualitativ hochwertige Produkte, die sich beispielsweise durch eine lange Lebensdauer, geringe Reinigungs- und Wartungskosten, besonders geringe Schadstoffemissionen und eine hohe Recyclingfähigkeit auszeichnen, können besser vermarktet werden.
Den Herstellern von Bauprodukten kommt daher eine wichtige Rolle zu: Sie können durch Schaffung von Transparenz über ihre Produkte dazu beitragen, dass diese optimal eingesetzt werden. Neben Informationen zu gesundheitsrelevanten Inhaltsstoffen und der Darstellung einer langen Lebensdauer und entsprechender Instandhaltungsmöglichkeiten ihrer Produkte kann dies unter anderem auch die Etablierung eines Rücknahmesystems, das die Kreislauffähigkeit der Produkte garantiert, umfassen.
Durch das Veröffentlichen der wesentlichen Produktinformationen in Informationsbroschüren, Umwelt-Produktdeklarationen und anderen Datenblättern können den Planern und Bauherren von Seiten der Hersteller Mittel an die Hand gegeben werden, die die nachhaltige Qualität des Gebäudes zu verbessern helfen. Für die Hersteller hat das den positiven Nebeneffekt, dass die Entscheidung für ihre Produkte vereinfacht wird – denn auch Planer unterstehen einem hohen Zeitdruck und sind für jede Hilfestellung dankbar. Und meistens sind die Potenziale der Produkte viel höher, als die Produzenten selber ahnen.
Bauprodukthersteller, die die Potenziale der Nachhaltigkeit im Bauwesen erkennen und nutzen, können sich heute als Vorreiter positionieren, sich Wettbewerbsvorteile sichern und die Entwicklungen im Bereich des Nachhaltigen Bauens aktiv mitgestalten. Wie das im Einzelnen funktionieren kann, welche Maßnahmen hierfür ergriffen werden sollten und wie die nachhaltige Qualität Ihrer Produkte ermittelt werden kann, wird in den folgenden Beiträgen nach und nach erläutert.
Kommentar der Autorin:
Vielleicht werden Sie sich wundern, warum ich die Erläuterung der Nachhaltigkeitsaspekte ausgerechnet mit der Wirtschaftlichkeit begonnen habe, obwohl doch insbesondere die ökologische Dimension derzeit thematisiert wird. Die Begründung hierfür ist einfach: Ziel der ganzen Artikelserie ist es, das Nachhaltige Bauen denen näher zu bringen, die am Anfang der Wertschöpfungskette Bau stehen, den Herstellern von Bauprodukten. Daher versuche ich, die Themen aus Herstellersicht aufzugreifen und zu zeigen, welche Potenziale im Nachhaltigen Bauen bestehen.
Kein Zweifel, die ökologische Qualität ist insbesondere für die Zukunftsfähigkeit unseres Planeten und damit auch unserer Gesellschaft von Bedeutung. Sicher ist den meisten Menschen daran gelegen, die Umwelt zu schonen, etwas gegen den uns alle betreffenden Klimawandel zu unternehmen, und die bestehende Artenvielfalt aus vielerlei Gründen zu erhalten. Dennoch weiß ich, dass im täglichen Berufsalltag vieler Menschen diese eher idealistische Denkweise dem schlichten Kampf um Arbeit, Aufträge und Lohn weichen muss. Umso schöner ist es, dass die Beachtung nachhaltiger Kriterien mittlerweile von vielen Bauherren, Architekten und anderen Fachplanern aktiv gefordert und damit auch finanziell gefördert wird. Leistung, auch in sozialer und ökologischer Hinsicht, bekommt auf einem sich stetig globalisierenden Markt einen neuen Stellenwert, der es deutschen und europäischen Herstellern ermöglicht, faire Preise für gute Produkte zu erzielen – und sich damit von „Billiganbietern“ aus anderen Regionen der Erde abzugrenzen. Genau dies ist der Grund, warum das Thema Nachhaltigkeit für mich persönlich so interessant ist.
Wenn Sie Fragen, Wünsche oder Anregungen für weitere Themenvorschläge haben oder detailliertere Informationen benötigen, können Sie die Autorin gerne unter ww.fisch-ing.de kontaktieren.