Risikomanagement durch Gebäudezertifikate


Nachhaltigkeitszertifizierung als Werkzeug des Risikomanagements

 

Autor: Dipl.-Ing. Ralf F. Bode, atmosgrad°

 

21. September 2010 - Green Building ist inzwischen zum festen Bestandteil immobilienwirtschaftlicher Zukunftsstrategien geworden. So häufig der Begriff verwendet wird, so verschieden ist das damit Gemeinte. Green Building ist das Bauen nachhaltiger Immobilien - und zwar nachhaltig im Sinne ökologischer, sozialer und ökonomischer Werte. Zertifizierung dagegen ist der formale Prozess der Bewertung und Prämierung von Nachhaltigkeitskriterien in Gebäuden.

 

Dabei geht es um den Nachweis von Qualitäten und die Transparenz von Gebäudeeigenschaften. Mit der Dokumentation zur Zertifizierung eines Gebäudes entlang einer Vielzahl von Kriterien und Indikatoren werden objektbezogene Qualitäten umfassend dargestellt. Durch den Vergleich mit anerkannten Benchmarks werden die Chancen und Risiken der Immobilie erkennbar. Flächeneffizienz und Lebenszykluskosten beispielsweise, beschreiben die ökonomische Seite, während Kriterien wie thermischer Komfort und Innenraumluftqualität den Nutzerkomfort unmittelbar bestimmen. Diese Qualitäten beeinflussen die Vermietbarkeit und damit die Werthaltigkeit und letztlich die Zukunftsfähigkeit der Gebäude.

Typischer Risikoregelkreis, unten aufgeführt der Beitrag aus dem Zertifizierungsprozess | Quelle: atmosgrad°
Typischer Risikoregelkreis, unten aufgeführt der Beitrag aus dem Zertifizierungsprozess | Quelle: atmosgrad°

Nachhaltigkeitskriterien decken sich vielfach mit den Risikokategorien der Immobilienwirtschaft

 

Die Risiken von Immobilien werden zukünftig wesentlich bestimmt durch die sich weiter verschärfenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Folge des Klimawandels, die steigenden Energiepreise und erhöhte Transparenzanforderungen von Immobilieninvestoren, Aktionären und Öffentlichkeit. Investoren nutzen die über die Zertifizierungskriterien nachgewiesene Nachhaltigkeit bereits als Risikomanagement-Tool und Vertriebsargument. Nutzern fällt es leicht, durch die Anmietung von Green Buildings ihre gesellschaftliche Verantwortung zu zeigen, ihre "Corporate Social Responsibility" zu belegen, und das Zertifikat als Marketinginstrument zu nutzen.

 

Mit dem Gütesiegel wird die Frage beantwortet, ob ein Gebäude auch in einigen Jahren noch ein gutes Investment darstellt. Wichtig ist deshalb die Kommunikationsfunktion in Richtung potenzieller Käufer: Die wesentlichen Informationen zum Objekt sind in einer Zertifizierungsurkunde gebündelt und die unzähligen Ordner der technischen Due Diligence können zunächst im Archiv bleiben. Auch für die Portfoliosteuerung des Eigentümers ist die Zertifizierungsurkunde gerade in Zeiten mit erheblichen Überkapazitäten am Büromarkt ein wertvolles Instrument. Der Portfoliomanager findet darin Informationen jenseits der Mietrendite, die seine Entscheidungen zu Investment oder Verkauf beeinflussen sollten: Die Frage, ob ein Haus auch übermorgen noch vermietbar ist, kann damit nachvollziehbar in die Rendite/Risiko-Relation eingehen.

 

Durch strategisches Immobilienmanagement und der Einbeziehung dieser neuen Anforderungen öffnet sich der Teufelskreis aus alt, älter, unvermietbar. Green Building zwingt dazu, über Objektstrategien nachzudenken und zu handeln. Dies gilt sowohl für den Neubau als auch für den Bestand. Die Ergebnisse des Zertifizierungsprozesses lassen sich im Übrigen weitgehend in die üblichen Risikomanagementregelkreise integrieren, in denen Zieldefinition, Analyse, Maßnahmen und Ergebniskontrolle aufeinander folgen

Risikomanagement gemäß KonTraG
Risikomanagement gemäß KonTraG

Wichtigster Faktor auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in Immobilien ist die ökonomische Relevanz des Themas

 

Studien zu LEED-zertifizierten Gebäuden weisen erhebliche wirtschaftliche Vorteile aus: 3-6% mehr Miete (bei 2-5% mehr Baukosten) und bis zu 16% höhere Verkaufserlöse. Vergleichbare Zahlen zu zertifizierten Objekten nach dem seit 2009 vergebenen Deutschen Gütesiegel Nachhaltiges Bauen werden gegenwärtig gesammelt. Das DGNB System ist darauf ausgerichtet, schon in der Projektphase genutzt zu werden und so nicht nur das Ergebnis zu verbessern sondern auch die Verlässlichkeit während der Planung zu erhöhen und damit auch in der Entwicklungsphase Risiken zu reduzieren. Der Kriterienkatalog der DGNB funktioniert so nicht nur als Checkliste für Bauherr und Planungsteam sondern bietet auch eine Fülle von Ziel- und Vergleichswerten aus Best Practice - Projekten, an denen sich eine zeitgemäße Immobilie messen lassen muss. Der Bauherr bekommt damit Leitlinien der Nachhaltigkeit und gleichzeitig ein Diagnosetool für die Arbeit der Fachleute, mit dem er sein Immobilienprojekt in den Zielkorridor steuern kann. Zudem kann man des Gütesiegels als Kommunikationsinstrument nicht hoch genug einschätzen. Es wirkt 360° in alle Richtungen: gegenüber Mietern, Gesellschaftern, potenziellen Investoren, der Öffentlichkeit und nicht zuletzt auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern. Richtig eingesetzt ist das Zertifikat Grundlage für Vermarktungskampagnen ebenso wie für "grüne Mietverträge" als Handlungsgrundlage für das Zusammenspiel von Mieter und Vermieter.

Gebündelter Bezug einzelner DGNB Kriterien zu Marktrisiken
Gebündelter Bezug einzelner DGNB Kriterien zu Marktrisiken

Transparenz ist eine der Grundanforderungen an Gebäude der Zukunft

 

Gewerbliche Immobilien stehen immer intensiver auf dem Prüfstand, die Nutzer prüfen auf Ihre Anforderungen, die Investoren prüfen auf Marktfähigkeit und die Banken müssen im Hintergrund die Werthaltigkeit sicherstellen. Deshalb wird es sehr bald schon keine Technische Due Diligence mehr geben, in der neben den üblichen Dokumenten wie Baugenehmigung und Gewährleistungsbürgschaften nicht auch die Urkunde des Nachhaltigkeitszertifikats abgefragt wird. Aber das ist nur die Transaktionsseite; viel höher fällt der Beitrag durch den Betrieb während der Nutzungsphase aus. Im Sinne echter Nachhaltigkeit durch Energie- und Nutzungseffizienz ist die Transparenz der Gebäudeinformation, Aufbau und Ablauf der Betriebsführung, Einbindung des Nutzerverhaltens und die Umsetzung eines kontinuierlichen Optimierungskonzepts von entscheidender Bedeutung für die Steuerung objektbezogener Risiken.

Risikomanagement und Zertifizierung hängen in der Objektstrategie unweigerlich miteinander zusammen. Auf der Investmentebene bieten Green Building und Zertifizierung die Chance, ganze Portfolios auf den Prüfstand zu stellen. Wenn die Weichen hier richtig gestellt werden, dann können Immobilienunternehmen sich dadurch profilieren und erhalten Wettbewerbsvorteile. Offenheit und Transparenz spielen dabei eine wesentliche Rolle.