Kühle Rechner bevorzugen "grüne Immobilien"
20. April 2010 - Innerhalb der weltweit aktiven Unternehmensgruppe ist BNP Paribas Real Estate eines der führenden Immobilien-Beratungsunternehmen in Europa. Relativ neu ist in Deutschland die Nachfrage nach "grünen Immobilien". Kriterien wie Energieverbrauch, Umweltverträglichkeit und die flexible Raumnutzung spielen beim Handel mit Gewerbe- und Büroimmobilien zunehmend eine Rolle. Objekte, die nach anerkannten Gebäudebewertungssystemen wie LEED oder DGNB zertifiziert sind, lassen sich mittlerweile häufig besser vermitteln als nicht zertifizierte. Auch die Niederlassung von BNP Paribas Real Estate in Hamburg stellt sich auf diesen Kundenwunsch ein. greenIMMO hat den dortigen Niederlassungsleiter von BNP Paribas Real Estate Consult, Hermann Horster, zur Marktentwicklung von "grünen Immobilien" gefragt.
greenIMMO: Herr Horster, wie hoch schätzen Sie den prozentualen Anteil von "grünen Immobilien" aktuell am gesamten deutschen Markt ein?
Hermann Horster: Bisher ist der Anteil sehr überschaubar, Tendenz steigend. Wenn wir von "grünen Immobilien" sprechen, handelt es sich um Büro- und Gewerbeimmobilien, die nach einem vorgegebenen Bewertungssystem zertifiziert werden, das sollte man zunächst wissen. Es gibt verschiedene international anerkannte Zertifizierungssysteme, die verwendet werden können. Das amerikanische LEED (Leadership In Energy And Environmental Design), das britische BREEAM (BRE Environmental Assessment Method) und das Verfahren der DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen) sind die in Deutschland bekanntesten Systeme. Wir haben mit unserem Hamburger Research-Team eine Auswertung des Marktes für zertifizierte Gebäude vorgenommen. Soweit ich es momentan überblicken kann, gibt es in Deutschland über 100 Bürogebäude bzw. Büro-Neubauprojekte, die bei den drei Systemen angemeldet, vorzertifiziert oder zertifiziert sind. Davon sind cirka 70 Prozent Verwaltungsbauten nach DGNB, cirka 30 Prozent LEED und vier Gebäude BREEAM.
Das BREEAM-System ist eher im Bereich der Shopping-Center stärker vertreten. Seit die DGNB ebenfalls Handelsimmobilien zertifiziert, entwickelt sich dieser Bereich nun auch sehr dynamisch. Neben der ECE, die bereits Center nach DGNB zertifiziert hat, haben auch z.B. Lidl und REWE DGNB-zertifizierte Neubauten erstellt. Waren es also ursprünglich nur Büroneubauten, so werden heute auch andere Nutzungen und Bestandsgebäude zertifiziert. Zusätzlich gibt es hier in Hamburg das HafenCity-Umweltzeichen, das sich sehr erfolgreich etabliert hat. Alle Zertfikate gibt es je nach Güte in verschiedenen Stufen. Diese haben auch Einfluss auf die möglichen Mehrkosten. LEED Silber oder DGBN Bronze verursachen zum Beispiel kaum Mehrkosten, wenn die Zertifizierung gleich zu Beginn des Projektes integriert wird.
greenIMMO: Aus Ihrem Alltagsgeschäft heraus gesprochen, sind "grüne Immobilien" ein Trend oder werden sie fester Bestandteil des Immobilienmarktes?
Hermann Horster: Das ist kein Nischenmarkt, mit Sicherheit nicht. Die Investoren und Projektentwickler, die "grüne Immobilien" bevorzugen, sind kühle Rechner. Sie reagieren auf den Druck des Gesetzgebers und vor allem auf eine steigende Nachfrage der Mieter nach zertifizierten Objekten. Das ist eine richtige Welle, die aus den USA zu unser herüberschwappt. Die Mehrzahl der Konzerne in den Staaten mieten nach "Corporate Social Responsibility"-Kriterien. Zudem kennen die Führungskräfte in den USA die Untersuchungen, nach denen Mitarbeiter in zertifizierten Gebäuden mehr als zwei Fehltage pro Jahr weniger aufweisen! Gegen diese Vorteile bei den Personalkosten sind sogar die eingesparten Nebenkosten aufgrund der Energieeffizienz nur ein angenehmer Nebeneffekt. Insofern wird sich die Marktstrategie auch verändern. Heute ist in innerstädtischen Lagen von Großstädten die Nachfrage nach nachhaltigen Büroimmobilien deutlich zu spüren. München und Hamburg stehen an der Spitze, wobei Hamburg Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit bei Immobilien ist. Eindeutig.
Dann wird ein "trickle-down-Effekt" einsetzen. Der Standard im hochpreisigen Neubau-Segment, die Zertifizierung, wird mittelfristig auch die Nebenlagen und die Bestände erreichen. Viele Assetmanager, mit denen ich spreche, beschäftigen sich deshalb bereits heute mit den Konsequenzen der Green Building-Bewegung für ihre Immobilienbestände. Mieter fragen auch im Bestand nach dem "Carbon Footprint". Der Markt wird schon in einigen Jahren die Bestände unter Druck gesetzt haben. Die Ironie ist, dass nicht Greenpeace, sondern Konzerne wie zum Beispiel Coca Cola, Vodafone oder hier in Hamburg Unilever der Motor dieser Entwicklung sind. Der Markt muss die nachhaltige Bauweise möglich machen, das ist sicherlich das Entscheidende. Nur aus altruistischen Motiven oder ökologischen Gründen - das funktioniert (leider) nicht.
greenIMMO: Welche Anreize müssen vorhanden sein, damit ein Investor den Prozess der Zertifizierung nach DGNB auf sich nimmt?
Hermann Horster: Die Nachfrage muss da sein, ganz klar. Ob dies der Fall ist, kann der Projektentwickler anhand einer Markt-/Standortanalyse unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit klären. Inzwischen fragen ja nicht nur die Mieter zunehmend nach zertifizierten Bürobauten, Einzelhandelsflächen oder sogar Logistikgebäuden - auch die Investorenseite bevorzugt inzwischen die Green Buildings. Für diese Unternehmen sind "grüne" Gebäude eine Form der Risikominimierung. Die Vermietungsquote in "grünen" Gebäuden sind höher. Gerade in der heutigen Zeit ein sehr wichtiges Argument. Sie können mit nachhaltigen Flächen das Leerstandsrisiko versuchen zu hedgen. Und natürlich wird "grün sein" in Zukunft auch Teil der Marketingstrategie von Unternehmen. In angelsächsischen Ländern wird das durch sogenannte "green leases" also "grüne Mietverträge" konsequent fortgeführt. Hierbei verpflichtet sich das anmietende Unternehmen, sich in einer "grünen Immobilie" auch "grün" zu verhalten. Also nur bestimmte Materialien bei der Büroausstattung zu verwenden und so weiter. Das geht bis hin zu verwendeten Reinigungsmitteln. Alle Prozesse und Abläufe des Unternehmens lassen sich daraufhin überprüfen, auch soziale Aspekte können mit einfließen, wenn Sie wollen.
Ein weiter Punkt sind gesetzliche Vorschriften, wie die Energieeinsparverordnung (EnEV). Hier ist es ratsam für Investoren weiter zu denken, als die aktuelle EnEV es vorgibt. Wer sein Objekt nach DGNB zertifizieren lässt, kann sicher sein, eine zukunftsfähige Immobilie zu haben, die wahrscheinlich auch den kommenden gesetzlichen Anforderungen entsprechen wird. Eine win-win-Situation: Die Kosten bleiben für den Mieter (Nebenkosten) und den Investor (Nachrüstung durch Umweltauflagen) die nächsten Jahre überschaubar. Also beeinflussen "grüne Immobilien" das Wertveränderungsrisiko positiv. Für professionelle Investoren ebenfalls ein wichtiges Entscheidungskriterium.
greenIMMO: Ein heikles Thema ist bei Immobilien stets die Bewertung. Welchen Einfluss haben umweltverträgliche und ressourcenschonende Merkmale auf die Bewertung, nach Ihrer Einschätzung?
Hermann Horster: Die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) hat dazu das Valuation Information Paper No. 13 veröffentlicht. Ein Meilenstein. Erstmals wird systematisch analysiert, welche Aspekte eines nachhaltigen Gebäudes sich wie auf den Wert auswirken. Und für den Sachverständigen wird konkret erläutert, an welchen Stellen er Nachhaltigkeit in die Bewertung einbeziehen kann. Auch die deutschen normierten Verfahren werden mit der neuen ImmoWertermittlungs-Verordnung (ImmoWertV) zumindest die Energieeffizienz in die Bewertung mit einbeziehen. Also auch diese Seite ist in Bewegung. Die Sachverständigen erhalten die Anweisungen und Werkzeuge, um die Marktentwicklung in ihren Gutachten nachvollziehen zu können. Und, vermindert Bewirtschaftungskosten, größe Spielräume bei der Kaltmiete (aufgrund geringerer Nebenkosten) und eine bessere Vermietbarkeit sind nur einige der wertbeeinflussenden Merkmale "grüner Immobilien".
greenIMMO: Im Gegensatz zum energieeffizienten Wohnungsbau gibt es für den Bau von nachhaltigen Gewerbeimmobilien keine öffentlichen Fördermittel. Werden zertifizierte Gebäude denn steuerlich günstiger behandelt als konventionell errichtete Gebäude?
Hermann Horster: Nein, leider nicht. Nur für kleine und mittelständische Unternehmen gibt es steuerliche Vergünstigungen, wenn sie ihren eigenen Betrieb energetisch optimieren wollen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat hierfür Programme. Steuerlich wird der gewerbliche Bau von "grünen Immobilien" (noch) nicht gefördert. Allerdings greifen die KfW-Fördermittel auch für den Bedarf der Wohnungssanierung im Bestand zu kurz. Gemeinnützige Wohnungsgesellschaften haben häufig Bestände in Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf, mit vielen Mietern mit Transfereinkommen. Spielräume für eine Mieterhöhung nach einer energetischen Sanierung bestehen in solchen Quartieren kaum. Die Mieter können dies häufig nicht bezahlen. Wenn wir hier die wichtige Sanierung der Bestände vorantreiben wollen, muss der Gesetzgeber die energetischen Maßnahmen fördern. An diesem Beispiel wird auch nachvollziehbar, warum Nachhaltigkeit die Themen Ökologie, Ökonomie und Soziales miteinander verknüpfen will. In den vorgenannten Quartieren werden wir keine ökologischen Erfolge erzielen, wenn wir nicht die sozialen und ökonomischen Fragen beantworten.
greenIMMO: Hier in Hamburg gibt es noch unzählige Büro- und Gewerbeimmobilien, die in keinster Weise den Kriterien von nachhaltigen Immobilien entsprechen - auch in sehr attraktiven Lagen. Es wird schwer sein, sie zu "grünen Immobilien" umzurüsten. Was raten Sie den Besitzern? Investieren in Modernisierungsmaßnahmen? Lieber verkaufen? Abreißen und neu bauen? Oder alles so lassen?
Hermann Horster: Hier ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Der Bauherr muss das tun, was er ohnehin vor jeder Sanierung im Bestand tun würde. Eine Objektanalyse, neudeutsch due diligence, muss durch eine Markt- und Standortanalyse ergänzt werden. Zunächst sehe ich mir als Bauherr also den aktuellen Zustand der Immobilien an. Daran anschließend beginnen die Überlegungen: Welche Kosten würden durch eine technische und bauliche Überholung entstehen? Welche durch einen nachträglichen Zertifizierungsprozess? Welche Chancen der Vermietbarkeit entstehen danach? Lässt sich die Vermietungsquote erhöhen, vielleicht sogar eine höhere Miete erzielen? Und so weiter. Die Analyse kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Je nachdem, welchen Weg der Auftraggeber gehen möchte.
Möglicherweise ist es auch sinnvoll, zunächst die Marktentwickung der nächsten Jahren abzuwarten. Wir haben hierzu im Unternehmen das Analysetool SAMSON (Sustainable Asset Management Solutions) entwickelt. Zeit- und kostengünstig können wir auch größere Portfolios für einen Auftraggeber in Bezug auf das Nachhaltigkeitspotenzial unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit analysieren. Leider wird Nachhaltigkeit oft nur technisch betrachtet. Wir können die technischen Aspekte mit unserem Markt-know-how verknüpfen. Dann weiss der Eigentümer bei welchen Objekten sich die energetische Sanierung, vielleicht sogar die Zertifizierung, auch wirtschaftlich lohnt. Wir wollen, dass Nachhaltigkeit kein Schreckgespenst, keine zusätzlich unangenehme Anforderung für den Bestandshalter darstellt. Sondern, dass er Nachhaltigkeit zu einem Werttreiber in seinem Portfolio entwickelt. Einfach ausgedrückt: Bei einigen Gebäuden lohnt sich der Aufwand einer energetischen Sanierung oder Zertifizierung aus wirtschaftlicher Sicht schon heute; bei anderen aber nicht. Dafür sind die Marktchancen entscheidend, nichts anderes.
greenIMMO: Herr Horster, wir danken Ihnen für das Gespräch.