atmosgrad° - Nachhaltigkeit für Immobilien


Dipl.-Ing. Ralf F. Bode, atmosgrad°
Dipl.-Ing. Ralf F. Bode, atmosgrad°

Architektur und Klimaschutz: Keine Gegensätze, sondern Bedingung!

 

15. Januar 2010 - Eine Berufsgruppe, die den Vorteil hat, anschauliche und konkret erlebbare Beispiele für einen wirksamen Klimaschutz zu bieten, sind die Architekten. Ihr Können läßt heute und in Zukunft anspruchsvolle Architektur entstehen, deren "intelligente" Funktionalität Energie effektiv einsetzt und dem Nutzer langlebigen Komfort bietet. Die Voraussetzung dafür ist die frühzeitige und umfassende Beratung des Bauherrn bzw. des Investors, damit die richtigen Entscheidungen für eine nachhaltig funktionierende Immobilie getroffen werden können. Das Hamburger Unternehmen atmosgrad° hat sich auf eben diese Beratung für Immobilienentwickler, Bestandshalter von Gewerbeimmobilien und Investoren in technischen und ökonomischen Fragen spezialisiert. Wir haben uns mit dem Geschäftsführer, Ralf F. Bode, über Ablaufprozesse,

Strategieentwickung und Zertifizierungssysteme unterhalten.  

 

greenIMMO: Herr Bode, was war der Antrieb für Sie, mit atmosgrad° ein technisches und ökonomisches Beratungsunternehmen für nachhaltige Immobilien zu gründen?

 

Ralf F. Bode: Ich habe jahrelang als Architekt auf Seiten der Bauherren und Investoren gearbeitet und fand die Nachhaltigkeit immer als "Ökothema" marginalisiert. Mit den veränderten Anforderungen an Energieeffizienz und mit der Gründung der DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen e.V.) wurde es möglich, den ganzheitlichen Ansatz der Nachhaltigkeit auch den Bauherren zu vermitteln. Richtig angewandt, entsteht hier ein Werkzeug des Risikomanagements wie auch ein Marketinginstrument.

 

greenIMMO: Was muss man sich unter einer nachhaltigen Immobilie eigentlich vorstellen? Worin unterscheidet sie sich von einem "konventionellen" Objekt?

 

Ralf F. Bode: Das Nachhaltigkeitskonzept übertragen auf Architektur und Immobilien bedeutet, dass die drei Säulen der Nachhaltigkeit, Ökologie, Ökonomie und Soziales, schon früh als Ziele in die Gebäudeplanung integriert werden. Dadurch entsteht im Ergebnis ein Haus, das in seinen Umweltauswirkungen effizient ist, als zukunftssicheres Investment taugt und besser den Bedürfnissen der Nutzer entspricht. In konventionellen Planungsabläufen dagegen, entstehen Gebäude nach oft zu einseitigen Vorgaben und mit sequentiellen statt integrierten Entwurfsschritten. Die frühe Einbindung von Fachleuten aller Disziplinen schon in der Entwicklungsphase kann später, während der Bauausführung und vor allem in der Nutzungsphase, enorme Kosten sparen.   

 

greenIMMOWen beraten Sie im Allgemeinen? Eher professionelle Immobilienbetreiber und Investoren oder Eigentümer von Wohnimmobilien bzw. Eigenheimen?

 

Ralf F. Bode: Der größte Teil unserer Kunden sind Immobilienentwickler, Bestandshalter von Gewerbeimmobilien und Investoren. Eigenheim-Bauherren bevorzugen in der Regel weitgehend standardisierte Produkte von Bauträgern und Fertighausherstellern. Bei professionellen Bauherren dagegen entwickelt sich zunehmend ein Bewusstsein für die vor allem auch ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit. Gegenwärtig haben wir in Deutschland einen Mietermarkt, die Unternehmen stehen unter hohem Kostendruck und versuchen entsprechend, auch die Kosten für ihre Mietflächen zu senken. Nicht selten werden in dieser Marktphase teure Flächen gegen günstigere mit deutlich geringeren Nebenkosten eingetauscht. Für den Investor und Vermieter werden Betriebskosten damit zu einer kritischen Größe. Über allem steht letztlich die Frage: "Werde ich mein Bürohaus, mein Geschäftshaus oder mein Hotel auch morgen noch vermieten und verkaufen können?"

greenIMMO: Wie gehen Sie an eine so komplexe Sache, wie die Sanierung eines bestehenden Gebäudes, unter den Gesichtspunkten von Nachhaltigkeit heran? Was ist da überhaupt möglich?

 

Ralf F. Bode: Sicher sind die Möglichkeiten im Bestand immer kleiner als im Neubau, aber gerade in der nachhaltigen Revitalisierung liegen ja, wegen des Volumens der Bestände, die größten Potenziale für Energieeffizienz und die Verbesserung des Nutzerkomforts. Abhängig vom Umfang des Eingriffs lassen sich auch in der Sanierung eines bestehenden Gebäudes erhebliche Effekte erzielen. Auch wenn die räumliche Struktur des Gebäudes nicht verändert werden kann oder soll, bietet hier vor allem die Neukonzeption und Erneuerung der Fassade und der Haustechnik viel Spielraum für Effizienzsteigerungen.

 

greenIMMO: Wenn Sie ein Immobilienunternehmen im Bereich der technischen Nachhaltigkeit beraten, kommen Sie dann auch an einen Punkt, wo es um mehr geht, als um das, wofür Sie eigentlich beauftragt wurden? Stellen sich etwa unternehmensstrategische Fragen, die für das Unternehmen selbst mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sein können? Wie sind Ihre Erfahrungen?

 

Ralf F. Bode: Wir beraten Unternehmen ja auch zu Positionierung und Strategieentwicklung in Sachen Nachhaltigkeit. Diese Überlegungen treten jedoch in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Situation gegenüber der konkreten Zertifizierung von Projekten mit kurzfristig messbarem Ergebnis in den Hintergrund. Viele Unternehmen erfüllen damit die Mieter- oder Investorenwünsche und vernachlässigen dabei die grundsätzlichen Fragen, die sich aus der Entwicklung rund um Green Building und Nachhaltigkeitszertifizierung ergeben: Was bedeutet dieser Trend in der Produktentwicklung? Wie muss ich bzw. kann ich dieses Thema in der Unternehmenskommunikation einsetzen? Wie muss ich meine Mitarbeiter einbinden, damit sie das Thema glaubwürdig vertreten können? Und einige mehr.  

greenIMMO: Ich möchte gerne auf die Diskussion um Green Buildings und das Gütesiegel der DGNB eingehen. Sie sind zusätzlich Auditor der DGBN, haben also die Befugnis, Neubauprojekte und die Sanierung von Bestandsobjekten im Bereich der Büro- und Verwaltungsimmobilien zu begleiten, zu überwachen und auch zu zertifizieren. Nun wird dem DGNB-Zertifikat nachgesagt, dass es einen immensen Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand mit sich bringe und Dinge verkompliziere. So hervorragend die von der DGNB ausgearbeiteten Kriterien auch sein mögen, könnte das gut gedachte Zertifikat dann nicht auch hemmende Auswirkungen auf die Akzeptanz von Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft haben? Nachhaltigkeit = Kompliziert, langwierig und teuer?

 

Ralf F. Bode: Die in einer großen Initiative der Bau- und Immobilienwirtschaft in Deutschland seit 2007 entwickelten und jetzt im Rahmen des Deutschen Gütesiegels für Nachhaltiges Bauen seit 2009 angewandten Kriterien zur Einordnung des Nachhaltigkeitsgrades von Gebäuden, sind in der Tat komplex. Sie sind aber im Vergleich mit den angelsächsischen Systemen vorbildlich, weil sie endlich auch die ökonomische Seite der Nachhaltigkeit integrieren und die Lebenszykluskosten berücksichtigen. Sie sind zudem darauf ausgerichtet, schon in der Projektphase berücksichtigt zu werden und so nicht nur das Ergebnis zu verbessern, sondern auch die Verlässlichkeit während der Planung zu erhöhen und damit als Risikomanagementsystem zu fungieren. Nun beruht die öffentliche Wahrnehmung des deutschen Zertifizierungssystems auf Projekten des letzten Jahres, die nahezu sämtlich bereits begonnen waren, als der DGNB-Kriterienkatalog veröffentlicht wurde. Dass zusätzliche und teilweise grob veränderte Zielvorgaben im laufenden Prozess eines Bauprojekts eher als Störung denn als Bereicherung wahrgenommen werden, erscheint deshalb nicht verwunderlich. Natürlich stellt das Verfahren zunächst einen zusätzlichen Aufwand dar, der sich in der Nutzungsphase allerdings mehr als ausgleichen lässt. Richtig angewandt, macht sich dieser Aufwand sogar schon in der Vermarktungsphase der Immobilie im doppelten Sinne des Wortes "bezahlt".

 

greenIMMO: Betrachtet man das desaströse Ergebnis des Kopenhagener Klimagipfels, erscheinen die Anstrengungen, die mit dem DGNB-Siegel verbunden sind als "zusätzlicher Aufwand" bzw. "nice to have", nicht aber als zukünftige Notwendigkeit. Wie geht die deutsche bzw. europäische Immobilienbranche mit dem unverbindlichen Ergebnis des Gipfels um? Nachhaltigkeit adé?

 

Ralf F. Bode: Ich sehe keinen zwingenden Zusammenhang zwischen dem bedauerlichen Ausgang des Kopenhagener Gipfels und der irreversiblen Entwicklung, wie sie von Zertifizierungssystemen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit von Gebäuden vorgegeben wird. Die Transparenz, die diese Zertifizierungssysteme schaffen, beispielsweise, wird schon bald eine unverzichtbare Voraussetzung für das Immobilieninvestment sein. Die immobilienbasierte Wirtschaftskrise macht dieses Erfordernis nur umso deutlicher. Gleichzeitig legen immer mehr Unternehmen, angeführt von den großen multinationalen Konzernen, ihre Corporate Governance Richtlinien offen und bekennen sich zu Corporate Social Responsibility. Übersetzt auf die Immobilie bedeutet dies, die Erfordernis eines anerkannten, prüfbaren Gütesiegels, das sich zur Veröffentlichung eignet.

 

greenIMMO: Um nachhaltige Immobilien zu erstellen, spielt die integrale Planung - also die Zusammenarbeit aller Beteiligten von Beginn an - eine große Rolle. Fachleute fordern deshalb mehr interdisziplinäres und gewerkeübergreifendes Denken und Handeln. Wie realisieren Sie diesen Anspruch in Ihrer täglichen Arbeit?

 

Ralf F. Bode: Gegenwärtig sind wir in verschiedenen Zertifizierungsprojekten von Büro- über Logistik- bis zu Laborgebäuden eingebunden und arbeiten da selbstverständlich interdisziplinär im Austausch und im Dialog mit allen Planungsgewerken. In letzter Konsequenz hat jedoch der Bauherr die Planungshoheit und wir können nur immer wieder dazu raten, diesen frühzeitig integrieten, interdisziplinären Ansatz zu verfolgen. Die Regeln bestimmt letztlich der Bauherr.

 

greenIMMO: Neben Ihrer beratenden Tätigkeit als Immobilienökonom sind Sie auch Architekt. Sie kennen also beide Seiten der Medaille. Wenn Sie in die Zukunft blicken, hätten Sie dann nicht Lust, mit atmosgrad° selbst eine nachhaltige Immobilie zu entwickeln und zu realiseren?

 

Ralf F. Bode: Da sprechen Sie einen alten Traum von mir an. Die Nachfrage jedenfalls ist da. Ich höre das inzwischen von vielen Seiten. Besonders Initiatoren von geschlossenen Immobilienfonds oder Spezialfonds würden gerne entsprechende Produkte auflegen. Allein, es fehlt an geeigneten Projekten oder Objekten. Es ist also höchste Zeit, die Königsdiszpli der Immobilienentwicklung auf dieses Feld auszuweiten und das jetzt noch spezielle Profil des Green Building, der vom ersten Strich an nachhaltigen Entwicklung, mit Leben zu füllen. Leider fehlt uns gegenwärtig die Kapazität, um in diesen Bereich vorzustoßen. Gerne würden wir uns dazu mit Partnern zusammenschließen.

 

greenIMMO: Herr Bode, wir danken Ihnen für das Gespräch.