Mit Smart Grids zu Smart Cities

 

Autoren: Dr. Kai Strübbe, Dr. Royth von Hahn, TÜV SÜD AG

 

26. September 2012 - Bis 2020 soll Europa intelligente Stromnetze haben. Das bietet ungeahnte Chancen für die nachhaltige Stadtentwicklung: neue Verkehrskonzepte und automatisierte Gebäude in einer sich wechselseitig regelnden Infrastruktur. Ziel ist mehr Lebensqualität für die Bewohner. TÜV SÜD zeigt, wie Smart Grids, Smart Cities und Building Automation zusammen hängen.

 

Eine hohe Wirtschaftsleistung, Arbeitsplätze, Bildungs- und Kulturangebote sowie eine gute Infrastruktur machen ihre Anziehungskraft aus: Städte. Mehr als die Hälfte der Menschheit lebt inzwischen in Städten, Tendenz steigend. Die fortschreitende Urbanisierung ist Motor für den Wohlstand eines Lands – und eine ökologische Herausforderung. Obwohl Städte nur drei Prozent der weltweiten Landfläche bedecken, verbrauchen sie rund 80 Prozent der Ressourcen.

Um dieses Wachstum klimaschonend, umweltfreundlich und wirtschaftlich zu gestalten, sind neue und leistungsfähigere Infrastrukturkonzepte nötig. Auf dem Weg von Smart Grids (intelligenten Stromnetzen) über Smart Buildings (intelligente bzw. automatisierte Gebäude) zu Smart Cities (intelligenten Städten) wollen Aspekte der Versorgungssicherheit und Stromqualität bedacht sein. Datensicherheit und eine zuverlässige Kommunikation gehören dazu.

 

Neue Rollenverteilung bei der Stromproduktion

 

In der Stadt der Zukunft soll der Strom mehr und mehr aus regenerativen Quellen wie Wind, Sonne oder Biogas kommen. Die Folge ist ein großteils witterungsbedingt schwankendes Stromaufkommen. Das belastet die Netzinfrastruktur wie das Beispiel des Übertragungsnetzbetreibers Tennet zeigt. Bei diesem haben sich die nötigen Eingriffe, um das Netz stabil zu halten von 2010 auf 2011 mehr als verdreifacht. Es sind daher zunehmend intelligente Steuersysteme gefragt, um die hohe Versorgungssicherheit und Stromqualität hierzulande aufrechtzuerhalten.

Wer mit der Bahn durch Deutschland fährt, begegnet ihnen überall: Hochspannungsmasten | © Rainer Sturm, pixelio
Wer mit der Bahn durch Deutschland fährt, begegnet ihnen überall: Hochspannungsmasten | © Rainer Sturm, pixelio

Besonders wichtig ist dies, weil die Versorgungssicherheit kein Komfort-Thema ist, sondern ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Gleiches gilt für die Stromqualität. Bereits heute kommt es zu kleineren Stromausfällen und Spannungsspitzen, die vom Verbraucher in der Regel zwar nicht wahrgenommen werden. Doch schon Spannungsspitzen im Bereich weniger 100 Millisekunden können bspw. die Elektronik oder Elektromotoren schädigen. Die Stromqualität nimmt damit direkt Einfluss bspw. auf die Lebensdauer von Elektrogeräten.

 

Ein zweiter Punkt ist die Bedeutung der Gebäudeautomatisierung. Intelligentes Wohnen heißt Vernetzung. Haustechnik (z. B. Heizung, Lüftung, Licht), automatisch ansteuerbare Haushaltsgeräte (z. B. Gefrierschrank, Waschmaschinen), intelligente Stromzähler (Smart Meter) und das Internet wachsen zusammen. Verbraucher können ihren Energiebedarf online überwachen, Zeiten günstigerer Stromtarife nutzen und alles aktiv beispielsweise über ein Smartphone steuern. Entscheidend dabei ist die zuverlässige und nicht für Dritte einsehbare Kommunikation.

Hinzu kommt, dass jeder Energieverbraucher auch Energieerzeuger oder Zwischenspeicher sein kann – mit einer Solaranlage auf dem Dach, dem Mikro-BHKW im Keller oder dem Elektrofahrzeug in der Garage. Der Strom fließt nicht mehr nur von einzelnen Großkraftwerken zu den Verbrauchern, sondern wird zunehmend wechselseitig in kleineren Netzabschnitten ausgetauscht. Darin liegt auch eine Chance der Elektromobilität. Sie bedeutet nicht nur weniger Lärm und Emissionen in den Städten. Auch können Elektrofahrzeuge einen Beitrag zur Netzstabilität liefern. Dazu zählt das Potenzial als kurzfristiger Energiespeicher, wenn sie z. B. über eine Ladestation mit dem Netz verbunden sind. Die Vielzahl kleiner Netzteilnehmer addiert sich so zu einem virtuellen Großkraftwerk, das als zusätzliches Regulativ dienen kann.

 

Der Übergang zu Smart Cities setzt einen grundlegenden Wandel im Denken und Handeln voraus. Um Angebot und Nachfrage nach Strom in Einklang zu bringen, muss die Kommunikation über die verschiedenen Infrastrukturbereiche Energie, Verkehr, Industrie und Haushalte gelingen. Dabei wird sich der Verbraucher nur dann aktiv beteiligen, wenn er weiß, dass seine Daten sicher sind und die Stromtarifmodelle interessant sind.

Standardisierte Kommunikation als Schlüssel

 

Die Basis dieses Umbaus ist die eingebettete Mess-, Steuer- und Regeltechnik (Embedded Systems) zur Automatisierung der Stromverteilung und Netzsteuerung. Denn erst die Informations- und Kommunikationstechnik bringt die Intelligenz ins Netz und die Gebäude. Es geht also um die Soft- und Hardware der Komponenten, die in der Stadt der Zukunft verbaut sind. Damit sie auch „die gleiche Sprache sprechen“ sind einheitliche Standards gefragt. Die Norm IEC 61850 liefert die Leitlinien für Datentausch über Ethernet. Bei der Umsetzung in der Praxis besteht aber teils noch Nachholbedarf bei der Konformität, der Performance sowie Interoperabilität der Komponenten.

 

Wie einsatztauglich technische Komponenten wie Sensoren, Aktoren, Signalgeber, Schutztechnik oder Smart Meter tatsächlich sind, können nur unabhängige Prüfungen zeigen. Erfüllen Sie die Anforderungen der Norm? Arbeiten auch die Geräte verschiedener Hersteller zuverlässig zusammen? Wie steht es um die Funktionalität und Datensicherheit? In einem eigenen Smart Grid-Testlabor prüfen TÜV SÜD-Experten Komponenten und Systeme für den Einsatz in der Stadt der Zukunft.

 

Das TÜV SÜD Competence Center Smart Grid bietet überdies strategische Beratungsleistungen von der Planungsphase bis zur Umsetzung der Norm IEC 61850. Stadtentwickler, Infrastrukturplaner, Energieversorger und Netzbetreiber bekommen dadurch Lösungen an die Hand, um die richtigen Netzkomponenten und Smart Meter auszuwählen und zu integrieren. Dass eingebettete Systeme im Verbund sicher und zuverlässig arbeiten können, zeigt die jahrelange erfolgreiche Praxis aus dem Einsatz in Industrieanlagen, der Medizin und Telekommunikation oder bereits in der Gebäudeautomatisierung. Gesellschaftlich akzeptiert werden sie, wenn Sicherheit und Wirtschaftlichkeit in der Balance sind.

 

Die Autoren:

 

Dr. Kai Strübbe

Leiter Embedded Systems, TÜV SÜD AG

TÜV SÜD AG

Barthstr. 16

80339 München

Tel: +49 89 5791-1627

E-Mail: kai.struebbe@tuev-sued.de

www.tuev-sued.de/embedded

 

Dr. Royth von Hahn

Produktmanager Smart Meter&Building Automation (Stellvertretender Leiter Embedded Systems), TÜV SÜD AG

TÜV SÜD AG

Barthstr. 16

80339 München

Tel: +49 89 5791-2003

E-Mail: Royth.vonHahn@tuev-sued.de

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